Wider den Vergessenen am Arbeitsmarkt

Robuste Konjunktur. Doch immer mehr Beschäftigte und Langzeiterwebssuchende haben nichts davon. Zudem steigt die atypische Beschäftigung in Schleswig-Holstein.

Agentur für Arbeit
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Robuste Konjunktur. Doch immer mehr Beschäftigte und Langzeiterwebssuchende haben nichts davon. Zudem steigt die atypische Beschäftigung in Schleswig-Holstein.

„Milder Winter, robustete Konjunktur, bislang geringe Auswirkungen durch die Zu- und Einwanderung: Die Zahl der Erwerbssuchenden in Schleswig-Holstein stieg zwar im Vergleich zum Vormonat im Dezember um 2.800 auf 97.000 an, liegt damit allerdings auf dem niedrigsten Niveau seit 1992.“ So u. a. die Kieler Nachrichten vom 6. Jan. 2016

Frank Hornschu
Frank Hornschu, AfA-Landesvorsitzender Bild: Steffen Voß / CC-BY-SA

Frank Hornschu, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) im SPD-Landesverband Schleswig-Holstein, wirbt – im Vorfeld des SPD-Landesparteitages und der AfA-Bundeskonferenz – für die Initiative:

„Wir brauchen eine Offensive zu Guter Arbeit. Hierzu sind offenkundig, neben der Fachkräftesicherung und Nachwuchsgewinnung sowie der Integration von zu- und eingewanderten Menschen, auf lokaler Ebene Dialoge mit allen Akteuren der Wirtschafts- und Arbeitswelt unumgänglich. Denn trotz der recht guten Arbeitsmarktdaten wachsen unaufhörlich die atypischen Beschäftigungsverhältnisse (Befristungen, Teilzeit-, Leih-, Zeitarbeit und Minijobs) in Schleswig-
Holstein.

Die Wirtschaft findet nicht allein in Frankfurt am Main statt, von wo aus uns allabendlich vor der Tagesschau von den Dax-Unternehmen berichtet wird. Zur Verbesserung der Beschäftigungssituation hunderttausender Menschen müssen wir uns von diesen Randthemen lösen und uns der Wirtschafts- und Arbeitswelt konkret jeweils vor Ort widmen.“

Tag für Tag erbringen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gute Leistungen, gute Qualität und gute Innovationen, die zugleich das Fundament unserer Wohlfahrt im Land maßgeblich ausmachen. Voraussetzung hierzu sind gute Bildung, gute berufliche/akademische Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Gute Arbeit. Mit ihnen lassen sich die regionale Wertschöpfung, die Beschäftigung und die Binnenwirtschaft für alle Menschen im Land stützen.

„Um eben diese hohe Motivation und das exzellente Engagement der Beschäftigten im Sinne von guten Perspektiven und ein gutes Leben zu unterstützen, zu fördern und auszubauen werben wir für die Dialoge zwischen Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften auf Landes- und regionaler Ebene. Damit wollen wir ein besseres Verständnis für das Allgemeinwohl in den Regionen wecken. Die Bindung untereinander, im Sinne des staatlich garantierten Grundsatzes „Eigentum verpflichtet“, stärken. Den Dialog aller Akteure verbindlich in eine dauerhaft institutionelle Form gießen. Den Weg zu mehr demokratischer Teilhabe lokal ebnen und damit die konkrete Beteiligung der Menschen ermöglichen, um so den sozialen Zusammenhalt zu stabilisieren. Vorstellbar wären konkrete Zielvereinbarungen mit den Aktueren der Wirtschafts- und Arbeitswelt, gepaart mit einer regionalen Arbeitsweltberichterstattung durch das Land“, so Hornschu weiter.

Zum Hintergrund: Die Wirtschafts- und Arbeitswelt hat sich trotz der Finanzmarkt- und Bankenkrise recht gut entwickelt. Die Beschäftigung wuchs und die Erwerbslosigkeit nahm ab. Die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nahmen in den vergangenen zehn Jahren um gut 100.000 Arbeitsplätzen auf nunmehr rund 900.000 in Schleswig-Holstein zu.

Bei genauer Betrachtung ist allerdings festzustellen, dass von allen Beschäftigungsverhältnissen, mit zunehmender Tendenz, die atypischen/prekären Arbeitsverhältnisse auf rund 480.000 – das sind 53 Prozent von allen und liegt damit deutlich über den Bundesdurchschnitt – im Land enorm angestiegen sind. Je nach Region sind Frauen mit einen Anteil von ¾ bis 4/5 am stärksten betroffen. Real bedeutet das für immer mehr Menschen im Alltag: Erwerbsarmut – trotz guter Qualifikation, die letztlich auch in Altersarmut mündet.

Hinzuzuzählen sind die befristeten Beschäftigungsverhältnisse; die über 10.000 jungen Frauen und Männer, die sich in sogenannte Warteschleifen hin zu einer beruflichen Ausbildung befinden und die kaum abnehmbare Anzahl von Menschen, die seit Jahren in Hartz IV leben müssen und bislang erfolglos eine existenzsichernde Erwerbsarbeit suchen.

Unter Guter Arbeit verstehen wir, die Sozialdemokraten, dass sie: – existenzsichernd, entgeltgleich, tarifgebunden, mitbestimmt, sozialversichert, unbefristet ist, – Karrierechancen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten schafft und die individuellen Erwerbsbiographien stärkt, – nicht krank macht, Privates und Beruf verbindet, alters- und alternsgerecht ist,
– mit einer deutlichen Aufwertung der Tätigkeiten an und für Menschen verbunden ist, – unternehmerische Risiken nicht auf Beschäftigte abwälzt, sondern umfassend vor wirtschaftlichen Gefahren schützt und insofern – Erwerbs- und Altersarmut sowie Lohn- und Sozialdumping vermeidet.

Einiges wurde bereits hin zur Guten Arbeit auf dem Weg gebracht: Auf Landesebene das Tariftreue- und Vergaberecht, der Landesmindestlohn, das Anti-Korruptionsregister, etc. und auf Bundesebene der flächendeckende Minderstlohn und in Kürze das Gesetz zur Entgeltgleichheit und zur Einschränkung des Missbrauchs von Werkverträgen usw. Um das Vertrauen der Menschen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Familien in die soziale Sicherung insgesamt zu stärken, müssen die eingeschlagenen Wege konsequent fortgesetzt werden und durch verbindliche Dialoge hin zu konkreten Vereinbarungen auf Landes wie regionaler Ebene ergänzt werden.